Club Real: Stadtprojekt beim Impulse Theater Festival 2020 und 2021

Festivalprogramm hier

DIE GROSSE SCHERE / Eigentum Verpflichtet e.V.

Immergrüne Bäumen und Sträucher, Klingelschilder ohne Namen, geschlossene Jalousien und getönten Scheiben. Sich auf diese Art und Weise unsichtbar zu machen, muss man sich leisten können. Und man muss sich mit der Selbstverständlichkeit des archetypischen alten weißen Mannes räumliche Ressourcen aneignen.
Der Reichtum ist ein scheues Reh, das kaum jemand zu Gesicht bekommt. Seit der Aussetzung der Erhebung der Vermögenssteuer nicht einmal der deutsche Staat selbst.
Armut ist durch staatliche Transferleistungen und die damit einhergehende Kontrolle gut erforscht und statistisch darstellbar, Reichtum dagegen nur schwer und unvollständig. Und es besteht großes Interesse daran, dass die statistischen Daten dazu lückenhaft bleiben.
Eine ganze Generation hatte in Deutschland Zeit, ohne Unterbrechung durch Krieg ungeheure Werte aufzuhäufen. Wer hat, dem wird gegeben und eine riesige Erbschaftswelle brandet nun ungehindert auf die Generation Y zu. Das obwohl dies unvereinbar ist mit dem dem sonst so oft bemühten marktwirtschaftlichen Ideal der Leistung. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf besteht der Mythos weiter “sich selbst gemacht zu haben” durch Fleiß und Mut. Und es besteht eine starke Tendenz sich immer zu einer Mittelschicht zu zählen die als Blaupause für eine dominante Normalität herhält.
Privilegien sind unsichtbar, denn sie sind nicht mehr als die Abwesenheit von strukturellen Benachteiligungen. Diese vererbten guten Voraussetzungen werden weiter unsichtbar bleiben, denn niemand will sich gerne eingestehen von glücklichen Umständen abhängig gewesen zu sein. Es ist Zeit, über diesen privatesten aller private parts zu sprechen.

Dokumentarfilm DIE GROSSE SCHERE/Eigentum Verpflichtet e.V.

Regie: Valentin Scholz
Veröffentlicht am Sonntag 13.06.2021 18:00–20:00, Ringlokschuppen Ruhr

Bis zum Festivalabschluss am 13.06.2021 stand hier die Behauptung, das STADTPROJEKT wäre eine Monumentalskulptur in Form einer großen Schere: eine 120 Meter hohe Versinnbildlichung der Vermögensunterschiede in Mülheim, platziert mitten in der Ruhr. Am letzten Festivaltag wurde das Kunstwerk enthüllt. Doch was hier das Licht der Öffentlichkeit erblickte, war keine Stahlskulptur, sondern eine andere Art von Kunstwerk – eine alternative Realität, zwar wie die Behauptung der großen Schere von der Künstler*innengruppe Club Real gestaltet, aber gleichzeitig ganz echt: der Verein Eigentum verpflichtet e.V. mit der von ihm engagierten Integrationsbeauftragten für Menschen mit Vermögenshintergrund, Barbara Schmidt. Der Verein und die Integrationsbeauftragte waren bereits seit Monaten in Mülheim aktiv und traten als Kooperationspartner des STADTPROJEKTS auf. Dass die Künstler*innen den Verein gegründet und die Kampagne entwickelt hatten, blieb der Öffentlichkeit jedoch bis zur Enthüllung verborgen.

Nichts an diesem Projekt war fiktiv. Der Verein existiert, die Integrationsbeauftragte war tatkräftig im Einsatz. Barbara Schmidt ist bereits seit 14 Jahren in Mülheim als Kultur- und Theaterpädagogin tätig, hat somit weitreichende Erfahrung in sozialer Arbeit – allerdings vor allem mit Menschen, die nur über sehr wenig Einkommen verfügen. Außerdem ist sie ausgebildete Schauspielerin. Sie konnte ihrer Figur also sowohl mit den Mitteln des Rollenspiels als auch auf der Basis ihrer eigenen Erfahrung Leben verleihen.

Genauso echt wie die Integrationsbeauftragte war auch die Empörung über die angekündigte Monumentalskulptur DIE GROSSE SCHERE – obwohl die Künstler*innen den Entwurf für das Kunstwerk bewusst so übertrieben hatten, dass sie fest davon überzeugt waren, dass niemand ernsthaft an die Realisierung der Skulptur glauben würde. Offenbar war es in der öffentlichen Wahrnehmung aber trotzdem naheliegender, dass ein derartiges Projekt realisiert wird, als dass ernsthaft über die gesellschaftliche Integration von Menschen mit Vermögenshintergrund nachgedacht wird. Trotz aller Bemühungen mit Informationsständen an belebten Plätzen, Hausbesuchen, Postwurfsendungen, Pressemitteilungen und einer umfangreichen Social-Media-Kampagne konnte keine einzige vermögende Person erfolgreich integriert werden.

Was ist wirkmächtiger? Ein Verein, der tatsächlich versucht, Integrationsarbeit zu leisten und Menschen zur gesellschaftlichen Teilhabe zu bewegen, oder ein Kunstwerk, das die Ungleichheit der Gesellschaft zwar abbildet, aber nie gebaut werden wird?

Credits:

Club Real: Paz Ponce, Mathias Lenz, Marianne Ramsay-Sonneck, Georg Reinhardt
Integrationsbeauftragte für Menschen mit Vermögenshintergrund: Barbara Schmidt
Dokumentationsfilm, Pressesprecher Eigentum verpflichtet e.V.: Valentin Scholz
Social Media Eigentum verpflichtet e.V.: Lena Busse

Dramaturgie: Haiko Pfost, Wilma Renfordt
Produktionsleitung: Zsolt Káldy, Theresa Heußen
Produktionsassistenz: Anna Jungfer

Produktion:

Im Rahmen des STADTPROJEKTS 2021 – EIGENTUM VERPFLICHTET wurden zwei Teilprojekte realisiert:

Eigentum Verpflichtet e.V.

Das STADTPROJEKT – DIE INTEGRATIONSBEAUFTRAGTE ist eine Koproduktion von Club Real, Ringlokschuppen Ruhr und Impulse Theater Festival, gefördert von der Kunststiftung NRW und dem Fonds Soziokultur

Aktivitäten des Vereins Eigentum verpflichtet e.V.:

13.04. Pressemitteilung zum Beginn der Aktivitäten von Eigentum verpflichtet e.V.; Beginn der Social-Media-Kampagne des Vereins

16.–26.04. Plakatkampagne von Eigentum verpflichtet e.V. in Mülheim an der Ruhr

20.–21.04. Informationsstände von Eigentum verpflichtet e.V. in Mülheim an der Ruhr

03.05. Postwurfsendung Eigentum verpflichtet e.V. in vermögenden Bezirken von Mülheim an der Ruhr

17.05.–13.06. Regelmäßige Telefonsprechstunden der Integrationsbeauftragten für Menschen mit Vermögenshintergrund

18.05. Plakatkampagne „Reiche integrieren“ von Eigentum verpflichtet e.V. in Mülheim an der Ruhr

21.–22.05. Hausbesuche der Integrationsbeauftragten für Menschen mit Vermögenshintergrund in Mülheim-Uhlenhorst, Informationsstände von Eigentum verpflichtet e.V. in Mülheim an der Ruhr

26.05., 18:00–19:00, Videokonferenz
Gesprächsrunde „Ängste und Sorgen von Menschen mit Vermögenshintergrund“
Videomitschnitt des Gesprächs

Der Psychotherapeut Christian Lessiak sprach mit der Integrationsbeauftragten über die Frage, wie Vermögen das Verhalten und die psychische Gesundheit von Menschen beeinflussen kann. Eignet sich die Rückkehr in die gesellschaftlichen Mitte womöglich als Therapiemethode?

27.05. Digitales Interessent*innentreffen von Eigentum verpflichtet e.V.

29.05. Informationsstände von Eigentum verpflichtet e.V. in Mülheim an der Ruhr


Web-Präsenzen von Eigentum verpflichtet e.V.:

www.eigentum-verpflichtet.jetzt
facebook.com/EigentumVerpflichtet.eV

instagram.com/eigentumverpflichtet.ev

twitter.com/Eigentumverpfl

Eigentum Verpflichtet e.V. / Selbsteinstufungstest Vermögenshintergrund

https://eigentum-verpflichtet.clubreal.de/test/

DIE GROSSE SCHERE

Das STADTPROJEKT – DIE GROSSE SCHERE ist eine Koproduktion von Club Real, Ringlokschuppen Ruhr und Impulse Theater Festival, gefördert von der Kunststiftung NRW und dem Fonds Darstellende Künste

Aktivitäten zur GROSSEN SCHERE:

30.04.
Eröffnung der Baustellenbox DIE GROSSE SCHERE

03.06., 17:30–19:00, Videokonferenz
EXPERT*INNENGESPRÄCH
Videomitschnitt des Gesprächs

Im Gespräch mit der Historikerin Eva Gajek und dem Soziologen Volker Kersting gingen Club Real dem Phänomen der sozialen Ungleichheit auf den Grund: Woran lässt sich soziale Ungleichheit festmachen? Und wie wird sie in Städten sichtbar? Was ist dran an der Behauptung von Club Real, dass die Schere zwischen Arm und Reich zur Gefahr für die Gesellschaft wird, wenn sie sich zu weit öffnet? Und vor allem: Was tun?

13.06., 18:00–20:00, Ringlokschuppen Ruhr
DIE ENTHÜLLUNG
Ursprünglich wurde hier ein Festakt angekündigt, bei dem die Künstler*innen von Club Real Einblicke in die Entstehung des Projekts geben und „von der aufregenden Realisierung dieser komplexen Kunstaktion berichten“: Warum Mülheim? Warum eine große Schere? Und was kann die Aktion in der Stadtgesellschaft bewirken? Tatsächlich hielt die Integrationsbeauftragte Barbara Schmidt eine Rede, in dem sie Eigentum verpflichtet e.V. als Teil des STADTPROJEKTS enthüllte. Anschließend hatte der Film Premiere, der Entstehung und Verlauf des Gesamtprojekts dokumentiert.

Eigentum Verpflichtet in der Kultursendung TWIST auf ARTE!

https://www.arte.tv/de/videos/105616-001-A/twist/

Mehr Presse / Resenzionen

https://www.waz.de/staedte/muelheim/riesen-schere-soll-ueber-muelheims-schlossbruecke-schweben-id232172255.html
https://archive.newsletter2go.com/?n2g=ddlwga2f-5bk8qzir-vhxh7b0y-wqx
https://www.lokalkompass.de/muelheim/c-kultur/was-bedeutet-der-grosse-gelbe-kasten-im-innenstadtpark-ruhranlage_a1566578

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